Schlagwortarchiv für: härtefallscheidung

Zerrüttungsprinzip - Wann gilt eine Ehe als gescheitert? - Paar auf der Couch

Zerrüttungsprinzip - Wann gilt eine Ehe als gescheitert? - Paar auf der Couch

Zerrüttungsprinzip – Was ist das?

Wenn Sie sich schon Gedanken um die mögliche kommende Scheidung machen, dann stellen Sie sich sicherlich die Frage, ob Sie dem Gericht beweisen müssen, dass ihr Partner an der Trennung schuld ist.
Hierauf gibt es eine ganz klare Antwort: Nein!

Seit der Eherechtsreform im Jahre 1977 herrscht in Deutschland das sogenannte Zerrüttungsprinzip. Dieses ersetzte das vorher bestehende Schuldprinzip. Dementsprechend geht es nicht mehr um die personelle Schuldzuweisung, sondern lediglich um die Frage, ob die Ehe als gescheitert einzustufen ist.

Was diese Eherechtsreform genau verändert hat und ab wann eine Ehe als zerrüttet gilt, erklären wir Ihnen in dem folgenden Beitrag.

Wie war es vor der Eherechtsreform 1977

Am 01.07.1977 trat die Reform des Ehe- und Familienrechts in Kraft. Zuvor gab es sowohl eine gesetzliche Aufgabenteilung für die Ehepartner, als auch das sogenannte Schuldprinzip. Nach diesem Prinzip musste einer der Ehepartner dem anderen eine ehevertragliche Pflichtverletzung nachweisen können. Beispiele dafür sind Affären oder neue Partnerschaften.

Der Grund dafür war, dass die Ehe grundsätzlich als lebenslang gelte und nur in besonderen Fällen auseinander gehen sollte. Der Ehepartner, welcher das schuldhafte Verhalten aufzeigte, hatte immense Nachteile bei der Scheidung. Nach einer schweren Pflichtverletzung war es nahezu unmöglich, das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind zu erhalten.

Mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips wurden neue familienrechtliche Grundlagen geschaffen: die Unterhaltszahlung des wirtschaftlich stärkeren Partners, der Versorgungsausgleich, das Namensrecht, womit die Männer den Familiennamen der Ehefrau annehmen konnten und die Familiengerichte.

Wann gilt eine Ehe als gescheitert?

Gemäß § 1565 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, doch wann ist das der Fall? 

Die Lebensgemeinschaft zwischen den Ehepartnern darf nicht mehr bestehen und es darf auch nicht mehr erwartet werden, dass sie wiederhergestellt wird. Welche praktische Bedeutung hat das für die Scheidung?

Nach der Vermutungsregel gem. § 1566 Abs. 1 BGB  wird die Ehe als gescheitert eingestuft, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Wenn zwischen den Ehepartnern keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht, oder auch wenn eine Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung klar erkennbar ist, dann zählt die Wohnlage als „getrennt“.

Bei einer Trennung von 3 Jahren wird es unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.

Handelt es sich nicht um eine einvernehmliche, sondern um eine streitige Scheidung, wird der Nachweis einer Zerrüttung notwendig. 

Sobald der Ehepartner dem Scheidungsantrag nicht zustimmt, muss der Antragsteller die Zerrüttung der Ehe darstellen. Hierzu gehören neben dem Ablauf des Trennungsjahres unter Umständen bestimmte Pflichtverletzungen (s.o.), eine fehlende emotionale Bindung, körperliche Gewalt, Vernachlässigung, Alkohol- oder Drogenprobleme oder auch ständige Streitereien.

Für die Belegung der Zerrüttung können auch verschiedene Methoden herangezogen werden.

Typische Nachweise sind:

  • Zeugenaussagen (Nachbarn, Freunde etc.)
  • Psychologengutachten (oder vom Arzt)
  • Ummeldung des Wohnsitzes
  • Anzeigen gegenüber der Polizei
  • Beendigung gemeinsamer Verträge
  • WhatsApp / E-Mail Nachrichten (genereller Schriftverkehr)

Je mehr Indizien für eine Zerrüttung des Ehelebens sprechen, desto eher wird das Familiengericht diese anerkennen.

Sonderfall: Die Härteklausel

Unter gewissen Umständen darf eine Ehe trotz einer Zerrüttung nicht geschieden werden. Diese Sonderfälle regelt der § 1568 BGB. Wenn die Scheidung für den Antragsgegner von besonders schwerer Härte oder die Ehe für die gemeinsamen Kinder notwendig sei, dann greift diese Härteklausel.

Beispiele:

  • Besondere psychische Belastung eines todkranken Ehegatten
  • Evtl. schwere psychische Erkrankungen
  • Schwere Schicksalsschläge
  • Schwerwiegende wirtschaftliche Folgen (welche nicht anders ausgeglichen werden können)
  • Selbstmordabsichten (sehr einzelfallabhängig)

Der Gegner des Scheidungsantrages muss die mit der Scheidung verbundene Härte gegenüber dem Familiengericht darstellen, um die Härteklausel geltend machen zu können. Hierbei muss jedoch gesagt werden, dass diese Schutznorm nur in extremen Ausnahme- / Einzelfällen zur Anwendung kommt.

Härtefallscheidungen – welche Voraussetzungen

Auf der anderen Seite gibt es auch die Härtefallscheidung als Ausnahme. In bestimmten Fällen müssen die Ehepartner nicht bereits ein Jahr getrennt leben, um sich scheiden zu lassen. Die Fortsetzung der Ehe müsste dafür für einen der Partner unzumutbar sein. 

Es werden hohe Anforderungen an diese Ausnahmesituation gestellt und die Familiengerichte prüfen den Sachverhalt hier besonders sorgfältig. Die möglichen Gründe für eine sofortige Scheidung sind ähnlich zu den Nachweisen der Zerrüttung (s.o.). In der Praxis beruhen die meisten Härtefallscheidungen auf häuslicher Gewalt, sowohl sexueller, psychischer und physischer Natur gegen die Frau oder gemeinsamen Kinder. Meistens wird hier dann von einer Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Antragsstellers ausgegangen. Auch der bereits angesprochene Drogenmissbrauch kann zu einer Unzumutbarkeit der Ehe führen.

Zudem gibt es in der deutschen Rechtsprechung bereits mehrere Präzedenzfälle, mit welchen die Situation dann verglichen werden kann, jedoch werden alle Fälle individuell geprüft und entschieden. Die vorliegenden Gründe müssen für die Rechtfertigung der Abweichung vom gesetzlichen Regeljahr besonders gravierend sein und insbesondere nachgewiesen werden. Typische Eheprobleme oder Streitereien reichen nicht für eine sofortige Scheidung aus. Bloße Behauptungen werden nicht berücksichtigt, sofern diese nicht nachgewiesen werden können.

Generell ist das gesamte Verfahren bei einer Härtefallscheidung ein komplexer juristischer Prozess, bei welchem der Anwalt eine wichtige Rolle spielt. Dieser kann die Erfolgsaussichten des Antrags bereits vor dem Verfahren juristischer besser einschätzen und die gesamte Belastung vor Gericht organisierter darstellen.

härtefallscheidung - psychoterror
härtefallscheidung - psychoterror

Härtefallscheidung bei Psychoterror in der Ehe / Wie viel muss man ertragen?

Härtefallscheidung bei Psychoterror – muss ich mich im Trennungsjahr psychisch fertig machen lassen?

Es gibt viele Fälle, in denen sich Ehepaare im Guten auseinander gehen und die Vorteile einer einvernehmlichen Scheidung erfahren.
So friedlich läuft es – für alle Beteiligten in der Regel zum Leidwesen – nicht immer. Fälle, in denen eine Partnerin oder ein Partner enorm unter dem Verhalten des Anderen zu leiden hat, gibt es immer wieder. In solchen Extremfällen, zum Beispiel bei ständig anhaltenden Psychoterror, kann – wie das Kammergericht Berlin zeigt (Az. 13 WF 183/17) – eine Härtefallscheidung Erfolg haben.

Grundsatz: Härtefallscheidung nur in Ausnahmen

Von der Härtefallscheidung ist die Rede, wenn eine Ehe vorzeitig, d.h. vor Ablauf des Trennungsjahres, geschieden werden soll. An die Härtefallscheidung sind strenge Anforderungen zu stellen, d.h. sie ist nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen möglich.
Eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres ist gem. § 1565 Abs. 2 BGB dann möglich, wenn in der Person des anderen Ehegatten so schwerwiegende Gründe vorliegen, dass es für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellen würde, bis zum Ablauf des Trennungsjahres warten zu müssen.
Die unzumutbare Härte muss sich auf das Eheband, d.h. auf das „Weiter-miteinander-verheiratet-sein“ beziehen und nicht bloß auf das eheliche Zusammenleben, (BGH mit Urt. v. 05.11.1980, Az.: IVb ZR 538/80).

Härtefallscheidung bei Psychoterror

In dem der Entscheidung des Kammergerichts Berlin zugrundeliegenden Fall strebte der Ehemann eine Härtefallscheidung an. Die unzumutbare Härte begründete er damit, dass seine Frau unter Zwangsstörungen und Wahnvorstellungen leide. In Folge der Krankheit habe sie ihm gegenüber Morddrohungen verübt und ihm zudem nachgestellt.

Der Mann litt unter dem gezeigten Verhalten seiner Frau in der Art, dass er selbst mit Panikattacken und schweren depressiven Verstimmungen zu kämpfen hatte. Dies wirkte sich auch auf seine Berufstätigkeit aus, da er durch seinen gesundheitlichen Zustand nur verringert arbeitsfähig war und sogar wiederholt arbeitsunfähig war.

Das Gericht entschied, dass ein Fehlverhalten eines Ehegatten, das sich aus dem Ausbrechen psychischer Erkrankungen oder der Verschlimmerung von solchen ergebe, für sich genommen regelmäßig kein Härtefallgrund sei.
Dies sei allerdings anders, wenn das aus der Krankheit herrührende Fehlverhalten des Ehegatten massive Auswirkungen auf den anderen Ehegatten habe. Dies sei hier der Fall, da der Ehemann durch das Verhalten der Ehefrau unter Panikattacken und Selbstmordgedanken gelitten habe. Das Trauma des Ehemanns könne durch andere Schutzmaßnahmen nicht beseitigt werden, so dass dem Ehemann daher nicht zugemutet werden könne, den Ablauf des Trennungsjahres abzuwarten.

Weitere Fälle

Die Rechtsprechung hat weitere Fälle entschieden, in denen sich die unzumutbare Härte aus der im weitesten Sinne psychischen Einwirkung der Ehegatten aufeinander ergeben kann.

Befürchtung des Selbstmordes

In einem anderen Fall hat das Amtsgericht Dortmund entschieden, dass einer Härtefallscheidung stattzugeben sei, wenn die Konflikte unter den Eheleuten so weit fortgeschritten sein, dass die Eheleute nicht mehr miteinander auskommen und die Befürchtung aufkommt, die Konflikte könnten aus Verzweiflung gar in einer Selbsttötung eines Ehegatten enden (vgl. AG Dortmund, 22.09.2004, Az.: 174 f 226/04).

„Irgendwann bringe ich sie um“ – Morddrohung als Härtefallgrund

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hatte einen verhältnismäßig ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass ein Härtefallgrund vorliegt, wenn der Ehegatte ernstliche Morddrohungen die Ehegattin betreffend äußerte. Der Ehemann hatte zuvor massive Morddrohungen bezüglich seiner Ehefrau gegenüber Dritten geäußert. Zudem hatte er ohne Einverständnis der Ehefrau die von dieser verfassten erotischen Kurzgeschichten veröffentlicht und dadurch ihre Intimsphäre verletzt (Brandenburgisches Oberlandesgericht. 18.01.2001, Az.: 9 UF 166/00).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Härtefallscheidung nicht nur bei körperlicher Gewalt und körperlicher Misshandlung in Betracht kommen kann, sondern auch, wenn ein Ehegatte unter dem Verhalten des Anderen psychisch derart zu leiden hat, dass ihm das Abwarten des Trennungsjahres nicht mehr zugemutet werden kann. Das schlichte Vorliegen von psychischen Erkrankungen hat jedoch in der Rechtsprechung bislang nicht ausgereicht, um eine Härtefallscheidung anzunehmen.