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Soll man Kinder gegen Corona impfen lassen?

Corona-Impfungen für Kinder – wenn sich Eltern uneinig sind

In einer Ehe gibt es zahlreiche Themen, die ein großes Streitpotential bergen. Meist geht es dabei um Werte und Überzeugungen, die nicht von beiden Partnern geteilt werden.
Seit der Zulassung der mRNA-Impfstoffe für Kinder schleicht sich deshalb ein neues Gesprächsthema in das Familienleben vieler.

Denn vertritt der eigene Partner eine gegenläufige Auffassung zu Impfungen als man selbst, handelt jeder grundsätzlich so, wie er es für richtig erachtet. Möchte derselbe Partner jedoch darüber entscheiden, wie mit dem gemeinsamen Kind verfahren wird, kann es zu kompromisslosen Auseinandersetzungen kommen.

Was es dabei zu beachten gibt, wie das Familiengericht in solchen Fällen entscheidet und wie es vielleicht doch noch zu einer Einigung kommen kann, wird im Folgenden aufgeklärt.

Entscheidender Ausgangspunkt: Wem obliegt das Sorgerecht?

Das Sorgerecht (unsere Inforeihe) wird im Gesetz definiert als die Pflicht und das Recht der Eltern, für das minderjährige Kind zu sorgen. Im Falle von medizinischen Behandlungen, wie etwa die Injektion eines Impfstoffs, geht es speziell um die Personensorge. Diese ist nicht zu verwechseln mit dem Umgangsrecht.

Verheiratete Ehepaare teilen sich die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind.
Ein geteiltes Sorgerecht  kann aber auch dann bestehen, wenn die Eltern bereits geschieden sind. In beiden Konstellationen ist grundsätzlich das Einverständnis beider Elternteile für Entscheidungen über das Kind erforderlich. Hiervon wird in Angelegenheiten des täglichen Lebens eine Ausnahme gemacht, um den Familienalltag praktikabler gestalten zu können.
Bei der Vornahme einer Impfung greift diese Ausnahme jedoch nicht. Der Grund hierfür liegt darin, dass durch eine Impfung körperliche Reaktionen verursacht werden können, wie etwa Erkältungssymptome. Dementsprechend wird eine Impfung als ein medizinischer Eingriff von bestimmter Relevanz klassifiziert und ist gerade keine Angelegenheit des täglichen Lebens. Die Einwilligung beider Elternteile muss also vorliegen.

Im Streitfall prüft das Gericht die Argumente der Eltern

Sollte es nicht zu einer Einigung der Eltern kommen, kann die Entscheidungsbefugnis über eine Corona-Impfung für das Kind durch das Gericht auf ein Elternteil übertragen werden. Dies geschieht über einen Antrag desjenigen Elternteils, welcher für die Durchführung einer Impfung ist.

In vergangenen Verfahren zu Standardimpfungen gegen Masern oder Keuchhusten, prüfte das Gericht, welcher Elternteil unter Beachtung des Kindeswohls vernünftiger zwischen dem Risiko von möglichen Impfschäden und dem Risiko einer Infektion mit dem Virus abwägt. Diesem Teil wurde sodann die Befugnis zugesprochen, über die Impfung des Kindes zu entscheiden.

Auch in jüngster Vergangenheit erging ein Urteil zur Corona-Impfung eines 16-Jährigen, in welchem das Gericht lediglich überprüfte, welcher Elternteil eher im Stande ist, eine durchdachte Entscheidung für das Kind zu treffen. Es entschied keinesfalls darüber, ob das Kind geimpft wird oder nicht. Der Grund für diese Zurückhaltung des Familiengerichts ist das Elternrecht aus dem Grundgesetz, Art. 6 II 1 GG.

Im Vordergrund steht der Wille und das Wohl des Kindes

Das Gericht berücksichtigt in seiner Entscheidung auch den Willen und vor allem das Wohl des Kindes, um das es im konkreten Fall geht. Inwieweit der Wille des Kindes eine Bedeutung für das Verfahren hat, hängt dabei von dem Alter und der persönlichen Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen ab.

Die persönliche Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit, in ärztliche Eingriffe und Untersuchungen rechtswirksam einzuwilligen. Vom Familiengericht wird also zunächst festgestellt, ob das betroffene Kind jene Argumente für und gegen eine Impfung verantwortungsvoll für sich abwägen und die Tragweite einer solchen medizinischen Behandlung erfassen kann. Damit positioniert sich das deutsche Recht entschieden gegen eine starre Altersgrenze in Bezug auf das Mitspracherecht.

Für die Altersgruppe ab 16 wird die geistige Reife für eine solche Entscheidung jedoch grundsätzlich zuerkannt.

Die Bedeutung der STIKO-Empfehlung im gerichtlichen Verfahren

Die Ständige Impfkommission (STIKO) ist ein Gremium, das anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Impfstoffs herausarbeitet. Darauf aufbauend gibt sie entweder eine Impfempfehlung für die Bevölkerung ab oder unterlässt dies.

Im gerichtlichen Verfahren fungiert eine Empfehlung der STIKO als Sachverständigengutachten. Somit muss kein weiterer Arzt als Sachverständiger geladen werden, der dem Gericht das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Impfung vorweist. Ob die streitige Impfung sinnvoll ist, wurde dann nämlich bereits durch die STIKO untersucht.

Individuelle Lebensumstände oder Vorerkrankungen des Kindes bleiben dadurch aber nicht unberücksichtigt. Denn im Falle einer Impfung wird die Impffähigkeit des Kindes unabhängig vom Urteil des Familiengerichts unbedingt von einem (Kinder-)Arzt untersucht.

Fazit:

Auch wenn die eigene Meinung als die einzig richtige erscheint, lohnt es sich doch im Interesse des Kindes eine sachliche Diskussion in der Familie zu führen. Diese gelingt nur, wenn sich beide Elternteile eingehend über die Impfung gegen das Coronavirus informieren. Ein Gespräch mit dem Arzt des Vertrauens kann beispielsweise zu mehr Information und Verständnis verhelfen. Eventuell gelingt hierüber eine Einigung mit dem Partner.
Sollte das nicht der Fall sein, darf jedenfalls zu keinem Zeitpunkt vergessen werden, dass beide Elternteile sicherlich das Beste für ihr Kind wollen.