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Versorgungsausgleich - Grenzen der freien Regelung

Versorgungsausgleich - Die Grenzen der freien Regelung

Auf dem Gebiet des Scheidungsfolgenrechts zählt der Versorgungsausgleich neben dem Unterhalt, dem Zugewinnausgleich und dem Sorge- und Umgangsrecht für eheliche Kinder zu den häufigsten und wichtigsten zu regelnden Folgesachen einer Ehescheidung. Unter Versorgungsausgleich versteht man den familienrechtlichen Anspruch eines Ehegatten auf Ausgleich unterschiedlich hoher und während der Ehezeit erworbener Rentenansprüche.

Der Versorgungsausgleich wird in der Regel von Amts wegen, also automatisch vom Gericht gemeinsam mit dem Ehescheidungsverfahren durchgeführt. Ein Antrag eines der Ehegatten ist nur dann erforderlich, wenn es sich um eine kurze Ehe handelt, die weniger als drei Jahre andauert oder sonstige Sonderregelungen greifen, beispielsweise bei Auslandsbezug der Scheidung. Der Versorgungsausgleich soll einen Ausgleich der während der Ehezeit erwirtschafteten Rentenansprüche für den späteren Fall der Rente schaffen, unabhängig davon, welcher Ehegatte wieviel in der Ehe gearbeitet hat und Rentenansprüche erworben hat.

Daneben ist der Versorgungsausgleich ein nicht unerheblicher Faktor für die Berechnung der Scheidungskosten. Neben dem Gegenstandswert für die Ehesache, der sich in aller Regel aus dem dreifachen addierten Nettoeinkommen beider Ehegatten zusammensetzt, setzt das Gericht zudem einen Gegenstandswert für den Versorgungsausgleich an. Dieser errechnet sich aus jeweils 10% des für die Ehescheidung angesetzten Wertes pro auszugleichender Rentenversicherung. Der Mindestwert beträgt 1.000,00 €.

Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich sind möglich

Da die gesetzlichen Grundsätze im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen können, zum Beispiel bei einer besonders langen Trennungszeit oder hohen finanziellen Aufwendungen des einen Ehegatten für den anderen, haben die Ehegatten die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich zu modifizieren oder sogar auch ganz auszuschließen. Eine solche Vereinbarung zum Versorgungsausgleich bedarf für die Wirksamkeit einer bestimmten Form. Sie muss entweder notariell beurkundet werden oder im Termin zur mündlichen Verhandlung als Vergleich vor Gericht geschlossen werden.

In diesen Fällen unterliegt eine solche Vereinbarung aber noch der gerichtlichen Kontrolle. Der aktuelle Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.5.2020 – XII ZB 447/19 gibt Anlass, genau über diesen gerichtlichen Kontrollmaßstab von Regelungen über den Versorgungsausgleich zu sprechen. In dem vorgenannten Beschluss wies der Senat die Beschwerde der geschiedenen Antragstellerin zurück. Sie hatte verlangt, eine notarielle Vereinbarung mit ihrem ehemaligen Ehemann über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs für unwirksam zu erklären. Damit wollte sie den Weg für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem gesetzlichen Versorgungsausgleichsrecht freimachen.

Damit dieser Fall bei Ihnen nicht eintritt, möchten wir im Folgenden die Leitlinien der höchstrichterlichen Rechtsprechung übersichtlich darstellen. Schließlich sind der Regelungsfreiheit der Ehegatten auch im Falle einer einvernehmlichen Scheidung Grenzen gesetzt. Eine Überschreitung dieser Grenzen beziehungsweise eine Verletzung anderer gesetzlicher Vorschriften hat die Unwirksamkeit der Vereinbarung zur Folge. Wir nehmen an, dass eine solche Vereinbarung den vollständigen Ausschluss der Durchführung des Versorgungsausgleichs beinhaltet.

Der Kontrollmaßstab des Bundesgerichtshofs

Im Grundsatz dürfen die Ehegatten frei entscheiden, wie sie die Scheidungsfolgen regeln. Wie so oft, gelten für Grundsätze Ausnahmen. So ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Ehegatten unwirksam, wenn der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung beliebig unterlaufen werden kann.

Versorgungsausgleich als Kernbereich der Scheidungsfolgen

Der Kontrollmaßstab für Vereinbarungen, die den Versorgungsausgleich betreffen, ist allein deshalb streng, weil der Versorgungsausgleich nach Ansicht des BGH den Kernbereich der Scheidungsfolgen betrifft. Damit steht er in einer Reihe mit nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich, also der Vermögensauseinandersetzung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH gibt es drei Konstellationen, in denen das Gericht einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs für unwirksam erklärt:

  1. Keine hinreichende Alterssicherung eines Ehegatten
  2. Einseitige Benachteiligung eines Ehegatten
  3. Evident einseitige und unzumutbare Lastenverteileung

Keine hinreichende Alterssicherung eines Ehegatten

Zum einen ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam, wenn nach dem zum Zeitpunkt der Abrede geplanten Zuschnitt der Ehe ein Ehegatte über keine hinreichende Alterssicherung verfügt. Im konkreten Fall war die Ehegattin zum Zeitpunkt der Vereinbarung jedoch erst 34 Jahre alt. Die Vereinbarung haben beide Ehegatten getroffen, als sie sich bereits in der Trennungsphase befanden. Während einer Ehezeit von 14 Jahren war sie ungefähr 7 Jahre in Teilzeit beschäftigt, für den Rest der Zeit gar nicht. Von betreuungsbedingten Nachteilen durch die Erziehung der Kinder sei laut Gerichtsbeschluss nur in geringem Umfang auszugehen. Die hinreichende Alterssicherung sei zudem nicht gefährdet, weil die Gattin mit 34 Jahren (Zeitpunkt der Trennung) noch ausreichend Zeit und Gelegenheit zum Ausbau ihrer Altersvorsorge habe.

Einseitige Benachteiligung eines Ehegatten

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs zielt auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten ab, wenn der bevorteilten Ehegatte mit verwerflicher Gesinnung gehandelt hat. Das ist der Fall, wenn sich in einem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz widerspiegelt. Eine solche strukturelle Benachteiligung besteht jedoch beispielsweise nicht, wenn der benachteiligte Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nachgeht und somit eigene Rentenanwartschaften erwirbt.

Evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung

Eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung unterfällt dem Institut des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB). Befinden sich die Ehegatten jedoch zum Zeitpunkt des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bereits in der Trennungsphase, besteht kein Raum für eine gerichtliche Kontrolle. Schließlich können sich die Lebensverhältnisse bis zum endgültigen Scheitern der Ehe nicht mehr ändern. Die Ehegattin wusste daher, dass sie auf ihr zustehende gesetzliche Ansprüche verzichtet.